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Journal 2024

Albrecht Adam - "Aus dem Leben eines Schlachtenmalers"

(22.04.2024) Ich weiß nicht, warum ich dieses Buch gelesen habe - es fand sich jedenfalls in meiner Sammlung von Biografien, insbesondere von Künstlern des 19. Jahrhunderts, das ist immerhin ein Grund. Auch war Adam ein Zeitgenosse von Franz Pforr, dem Maler, über den ich vor fast 45 Jahren meine Magisterarbeit geschrieben habe, und kurze Zeit waren sie sich ganz nahe, der arrivierte Schlachtenmaler Adam und der Möchtegern-Schlachtenmaler Pforr. Jedenfalls habe ich das Buch angefangen und auch fertig gelesen.

Albrecht Adam, Selbstbiografie

Bereut habe ich die Lektüre nicht: Adam kann lebendig und interessant schreiben, und er war im wahrsten Sinne des Wortes oft mittendrin, in Schlachten oder in Zusammenkünften wichtiger Männer seiner Zeit. Am packendsten war die lange Schilderung von Napoleons Rußlandfeldzug, wo Adam als beauftragter Schlachtenmaler immer in unmittelbarer Nähe der Entscheider (u.a. von Napoleon) war, und wie früh sich schon abzeichnete, dass für die große Armee nichts zu gewinnen war, dass hunderttausende "to do the will of one" sterben mussten. Im Vergleich zu Adams Schilderungen von Schlachten in seiner Autobiografie sind seine gemalten Bilder regelrecht harmlos, das Grauen der Schlachten, das Leid von Menschen und Tieren (auch hunderttausende von Pferden kamen elendlich um) wird schriftlich derart drastisch geschildert, dass es mir letztlich ein Rätsel ist, wieso Adam mit so viel Begeisterung vor Ort sein will.

Sein finanzieller Erfolg speist sich zur Hauptsache aber aus der Darstellung der fast ausschließlich adligen Offiziere, also gar nicht mal aus der Darstellung der Schlachten, eher aus Porträts vor dem Hintergrund von Schlachten, womit die Dargestellten (die zahlende Kundschaft) möglichst schmeichelhaft und in perfekter Haltung auf schön gemalten Pferden den zuhause gebliebenen gezeigt werden konnten. Aus einfachen Verhältnisse stammend hat es Adam damit geschafft, eine große Familie ohne materielle Probleme zu gründen und mit historisch wichtigen Persönlichkeiten ganz selbstverständlich zu verkehren. Schon eine Leistung! In die Wikipedia hat er es auch geschafft, wenn dort auch nur von sieben Kindern gesprochen wird; laut seiner Lebensbeschreibung hatte er aber zehn Kinder. Erstaunlich, wie das seine Frau weggesteckt hat.

Auf der Webseite von Christian von Holst findet man Bildmaterial in sehr guter Qualität mit wichtigen Hintergrundinformationen.

Wer ganz tief ins Thema eindringen will: Adams Veröffentlichung "Voyage pittoresque et militaire de Willenberg en Prusse jusqu’à Moscou fait en 1812" wurde 2014 in zwei Bänden von Thomas Hemmann, Rolf Eckstein und Eckhard M. Theewen neu herausgegeben (Rezension von Markus Stein, dort auch Links auf die beiden Bände). Der Voransicht bei amazon nach zu urteilen ist die Qualität der Abbildungen und der beigefügten Texte sehr hoch, aber 100 Euro für beide Bände zusammen war mir denn doch zu teuer.

"Kafka verstehen" - Vorlesungsreihe an der Uni Heidelberg, 1. Dieter Lamping

(18.04.2024) Das Germanistische Seminar der Universität Heidelberg veranstaltet von April bis Juli 2024 eine Reihe von zwölf Vorlesungen zum großen Thema "Kafka verstehen". Bekannte und weniger bekannte Namen stellen wöchentlich einen Aspekt vor, organisiert wird die Reihe von Marcel Krings und dem rührigen Roland Reuß.

Kafka-Vortrag von Dieter Lamping

Es war seltsam, über 40 Jahre nach dem Studium mal wieder in einem Hörsaal zu sitzen, und nur im ersten Moment war es überraschend, dass es immer noch die ollen Möbel sind, die ich noch von damals kenne: Man sitzt also auf hartem Holz. Die Luft war zum Schneiden, die Ausdünstungen der etwa 140 Menschen im überfüllten Saal schon etwas belastend. Probleme mit dem Mikrophon deuteten darauf hin, dass es keine Generalprobe zur Saaltechnik gab, man musste also über eine Stunde lang die Ohren spitzen und sich stark auf das Gesprochene konzentrieren - nun, dafür war man ja auch da.

Roland Reuß führte gewohnt souverän ein, und Dieter Lamping hielt dann auf sehr sympathische Weise einen guten und informativen Vortrag über das Thema "Was bleibt von Kafka?" (Spoiler: Es bleibt, dass wir Kafka weiterhin lesen müssen). Kafka hat viele Deutungsphasen hinter sich, mal galt er als Heiliger, dann wurde er als Patient gesehen, dann als Philosoph, dann als Prophet (im Politischen und Soziologischen). Inzwischen ist er in der Populärkultur angekommen, und auch das passt. Lamping hat zur monumentalen Biographie von Dieter Stach einige Vorbehalte, zum Beispiel würde es Stach immer mal wieder an Empathie fehlen, und überhaupt würde er das "Elend" Kafkas zu arg pointieren. Man muss aber immer wieder betonen, dass Kafka auch sehr humorvoll schreibt und oft lustig zu lesen ist. Ganz generell: Die Literatur zu Kafka kann sich nicht mit der Literatur von Kafka messen, also: Originaltexte lesen!

Ich werde versuchen, möglichst viele der wöchentlichen Vorträge zu besuchen.

Christian von Holst - "Georg Dehio. Leben und Bilder" (2011)

(17.04.2024) Beim Rumstöbern auf der sehr informativen und gleichzeitig schönen Webseite von Christian von Holst zum Thema Albrecht Adam bin ich auf eine wunderschöne Präsentation (satte 78 MB!) zum Leben und zur Kunst des berühmten Kunsthistorikers Georg Dehio, dem Bruder des Urgroßvaters von Christian von Holst, gestoßen. Zum einen habe ich dabei gemerkt, dass ich in Tallin (ehemals Reval) in Estland vor dem Geburtshaus von Dehio stand, ohne es zu wissen, auch den Herrensitz und Park der Familie von Fock (Vorfahren Dehios?) östlich von Tallin gesehen habe. Aber was mich packte, waren die teilweise wunderschönen kleinen Landschafts- und Gebäudebilder von Dehio. Viele habe ich mir abgespeichert, um sie in Ruhe anzuschauen. Hier ein Beispiel.

Georg Dehio, Italienische Landschaft, 1879
Georg Dehio - "Italienische Landschaft", 1879

Auf ein seltsames Bild bin ich gestoßen, das mich von der Komposition her total an das wunderschöne Bild "Sommertag" (1881, heute Staatliche Kunstsammlungen Dresden) von Arnold Böcklin erinnerte, aber, wenn man der Jahresangabe glauben kann, erst von 1902 oder 1903 ist. Man vergleiche selbst:

Boecklin versus Dehio
Links: Arnold Böcklin, "Sommertag" (1881)
Rechts: Georg Dehio, "Rheinebene zwischen Kehl und Appenweier", 1902-1903

Andy Weir - "Der Astronaut"

(16.04.2024) In meiner Jugend habe ich eine Unmenge an Science Fiction gelesen: Perry Rhodan, Atlan, Terra, Terra Extra, Utopia, Goldmanns Weltraum Taschenbücher und so weiter, sicher deutlich über 500 Titel. Mit 17 oder 18 war dann diese Science-Fiction-Phase vorbei und ich habe nur noch vereinzelt etwas von Herbert W. Franke oder Stanislaw Lem gelesen. Nachdem ich die ausnehmend guten Besprechungen zu den Romanen von Andy Weir zur Kenntnis genommen habe, wollte ich wissen, wie sich moderne Science Fiction liest und anfühlt. Ausgewählt habe ich seinen aktuellen Roman "Der Astronaut" (2021), in der sehr gelungenen Übersetzung von Jürgen Langowski.

Andy Weir, Der Astronaut

Im Original lautet der Titel "Project Hail Mary", und dieser Titel hätte mir deutlich besser gefallen als das nichtssagende "Der Astronaut", was wie ein Platzhalter für einen noch zu findenden "richtigen" Titel klingt. Sicher ist das eine Marketingentscheidung gewesen und keine Entscheidung des Übersetzers.

In SF-Romanen ist es immer mal wieder eine Einzelperson, die die Erde, das Sonnensystem oder meinetwegen die ganze Milchstraße rettet - Western-Romane oder Krimis sind da deutlich bescheidener, solche Helden gibt's da nicht. Der Held in "Der Astronaut", nämlich Ryland Grace, rettet die bewohnten Planeten in zwei Sonnensystemen. Natürlich sind nicht die Planeten als solche, sondern "nur" jegliches Leben auf diesen Planeten gemeint. Aber immerhin: Ein typischer SF-Held vor einer typischen SF-Aufgabe. Was aber Weir aus diesem Setting macht, ist große Klasse, ich bin vor lauter Spannung und aus lauter Neugier kaum von der Lektüre losgekommen. Klar ist natürlich auch, dass diese Spannungserzeugung auch zum Genre Unterhaltungsliteratur gehört: Problem, Lösung, neues Problem, neue Lösung usw usf.

Gefallen hat mir, dass Weir sehr aufwändig sich bemüht hat, all das Phantastische im Roman so wissenschaftlich zu unterfüttern, dass es immerhin denkbar ist, was da so alles abläuft. Auch wenn sich etwas viele Zufälle zusammenfinden, zum Beispiel, dass der Held mit einem Vertreter einer außerirdischen Existenz zusammentrifft und zusammenarbeitet, dessen Heimatplanet gleichzeitig vor dem gleichen Problem steht wie die Erde. Und auch dieser steht allein und muss seinen Heimatplaneten allein retten, hätte es aber ohne die Zusammenarbeit und die Freundschaft mit Ryland Grace nicht geschafft. Aber alles geht gut aus, natürlich mit vielen überraschenden Wendungen.

Ich werde sicherlich auch die anderen beiden Romane von Andy Weir lesen.


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Erstellt von: Béla Hassforther